Die Stunde des Siegers
Der glorreiche Feldzug gegen ‚Entartete’ Architektur nähert sich seinem Höhepunkt. Der mächtige, mitleidlose Schlag gegen die beiden Hochhausscheiben auf dem Harter Plateau wird uns Architekten die Lust am Experimentieren, am Visio-nären einfürallemal austreiben, dem Erdboden gleichmachen. Ambition und Illusion, die Triebfedern aller ‚Entarteten’ Archi-tektur und ihrer Schöpfer werden sich auf Jahrzehnte hinaus erübrigen.
Der An-Führer der Subversion dürfte zufrieden sein. Er und seine Adjutanten haben unisono mit der Landes-Propaganda schon das große Siegesfest gefeiert.
Das Schlachtfeld aber wird bald unvorstellbares ‚räumliches’ Leid, nicht wiedergutzuma-chende Leere hinterlassen, wird die grausamen (Bau)Sünden früherer Schlachten zum Vor-schein bringen und für immer geistig kontaminiert bleiben!
Das alles sieht der An-Führer leider noch nicht, er ist beseelt von autokratischer Dumpfheit und offenbar blind vor Euphorie, in der Geschichte einen ruhmreichen Platz einzunehmen.
Warum um Himmels willen haben ihn die Adjutanten - Abgeordnete, der Bürgermeister, der Universitätsprofessor, der Genossenschaftsdirektor, sein Architekt, die Propaganda - nicht gewarnt, sie hätten doch wissen müssen, dass es kein wirklicher Endsieg über den schlechten Geschmack werden kann, nur seine ganz persönliche Endstation auf dem geistigen Raubzug im fremden Territorium - der Architektur.
Oder ist es etwa ein Komplott, auf dass dem Feldherrn die innere Auslöschung widerfahren sollte, weil er aus Wahnsinn letztenendes doch Ernst werden ließ. Oder hat die An-Führer-Elite die Tragweite dieser Schlacht selbst völlig fehleinge-schätzt und hatte sie von all dem Dahinter nichts geahnt, nichts bemerkt, nichts gewusst.
Das alles kommt uns schon irgendwie bekannt vor.
Aber wenn - wie heute - nur ein Bauwerk ‚vernichtet’ wird - könnten wir uns beruhigen - ist das auch nicht weiter schlimm, die Kritiker dieses unseligen Feldzuges werden schließlich auch nicht ins Lager abgeschoben.
Wer geht mit uns trotzdem in den ( zugegeben, ungefährlichen) Widerstand, um diesen Irrsinn doch noch aufzuhalten?
Wolfgang Pauzenberger - PAUHOF Architekten
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